Prüfung in der Praxis – Kompetenzen richtig einschätzen

Sie möchten eine Stelle mit einer geflüchteten Person besetzen – wissen aber nicht, welche Qualifikationen sie mitbringt? Wie gelingt es, auch jenseits von deutschen Ausbildungswegen und Zeugnissen geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden?

Michael Hagemann, Geschäftsführer des BZI, und Marcel Bechte, als Willkommenslotse im Berufsbildungszentrum tätig, ermöglichen Geflüchteten im BZI erste Einblicke in die duale Berufsausbildung in Deutschland.

Das Berufsbildungszentrum der Remscheider Metall- und Elektroindustrie GmbH (BZI) bietet jungen Flüchtlingen im Rahmen einer Berufsorientierung die Möglichkeit, verschiedene Berufsfelder und Arbeitsvorgänge der Metall- und Elektrobranche kennenzulernen.

Was war Ihre Motivation für das Engagement für Geflüchtete?

Eine unserer Aufgaben ist es, geeignete Nachwuchskräfte für die Industrie bei uns vor Ort zu finden und zu qualifizieren. Für uns war daher gleich klar, dass wir unsere ausbildungsvorbereitenden Maßnahmen auch auf die Zielgruppe der Flüchtlinge ausdehnen und zuschneiden müssen.

Mit welchen Methoden schätzen Sie die beruflichen Fähigkeiten und Qualifikationen von Flüchtlingen ein?

Wir haben uns ganz klar gegen theoretische Tests entschieden. Diese überfordern die Geflüchteten häufig. Wir laden stattdessen direkt an unsere Werkbank ein. Feilen, Anreißen, Körnen und Bohren: Diese Arbeitsschritte stehen in der Metallindustrie tagtäglich an und können in unserer Probierwerkstatt in der Praxis getestet werden.

Und Ihre Empfehlung an andere Unternehmen zur Einschätzung der Kompetenzen von Geflüchteten?

Beim ersten Kennenlernen ist es wichtig, die Fähigkeiten und Qualifikationen ganz praktisch abzufragen. Die Gespräche finden direkt in unserer Werkstatt statt, um gestenunterstützt über Werkzeuge und Arbeitsschritte sprechen zu können. Zur Einschätzung des Sprachniveaus lasse ich die Bewerber gerne einen Text vorlesen; die Fertigkeiten an der Werkbank lassen sich über eine kleine praktische Aufgabe erfassen.

Der richtige Auswahlprozess – der Start in die Zusammenarbeit

Sie wollen Geflüchtete bei sich im Unternehmen einstellen? Wie können Sie den Auswahlprozess gestalten, um eine erfolgreiche Integration des Bewerbers/der Bewerberin in Ihren Betrieb sicherzustellen?

Die UNICBLUE GmbH & Co. KG konzipiert und realisiert Messekonzepte sowie Marken- und Produktkampagnen. Drei Geflüchtete absolvieren seit August 2015 ihre Ausbildung als Tischler und Marketing- und Kommunikationskaufmann bei dem Gelsenkirchener Unternehmen.

Franz Przechowski, Geschäftsführer von UNICBLUE, empfiehlt bei der Einstellung der neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor allem auf die sogenannten Soft Skills zu achten.

Sie haben bereits Geflüchtete bei sich im Unternehmen eingestellt. Was hat Sie dazu bewegt, was war Ihre Motivation?

Ich halte es mit John F. Kennedy: „Frage nicht, was dein Land für dich, sondern frage, was du für dein Land tun kannst.“ Anfang 2015 mussten mutige Entscheidungen getroffen werden. Darüber hinaus kann ich nach der Ausbildungszeit auf drei neue Fachkräfte zählen.

Gab es auch Probleme und Herausforderungen bei der Einstellung?

Anfangs gab es keine Behörde, die mir Flüchtlinge vermitteln oder überhaupt etwas zur Einstellung sagen konnte. Ich musste die Sache selbst in die Hand nehmen. Über einen Aufruf bei Facebook kam ich recht schnell mit der ELNET-Bleiberecht in Kontakt – einem Integrationsprojekt, das sich an Geflüchtete richtet, die eine Arbeit oder Ausbildung aufnehmen wollen.

Wenn Sie anderen Unternehmen einen Tipp zum Thema „Einstellung von Geflüchteten“ geben müssten, welcher wäre dies?

Legen Sie den Fokus in Ihrem Auswahlprozess vor allem auf die Soft Skills der Bewerber. Diese können Sie in einem Auswahlgespräch viel unkomplizierter abfragen als Fragestellungen zu Zeugnissen und formalen Qualifikationen. Einer unserer Tischler-Azubis antwortete im Auswahlgespräch auf die Frage, wovon er träume, zum Beispiel: „mit den Händen zu arbeiten“. Da war mir klar, dass er der Richtige für die Stelle ist.

Von Geflüchteten zu Beschäftigten: Der Einstieg ins Unternehmen

Wo beginnen Sie am besten, wenn Sie mit Geflüchteten zusammenarbeiten wollen? Wie gelingt der Einstieg in Ihr Unternehmen?

Die Norbert Schaub GmbH vertreibt chemisch-technische Produkte und Spezial-Schmierstoffe für die Automobilindustrie sowie spezielle Marderabwehrprodukte. Seit 1. August bildet das Unternehmen einen Flüchtling aus Gambia zum Groß- und Außenhandelskaufmann aus – als ersten Auszubildenden überhaupt im Unternehmen.

Marika Essig, Assistentin der Geschäftsleitung, freut sich, dem neuen Mitarbeiter diese Chance bieten zu können.

Woher rührt Ihr Engagement für die Integration Geflüchteter in den Arbeitsmarkt?

Wir sind bereits seit Längerem in verschiedenen Bereichen sozial engagiert und immer auf der Suche nach guten Fachkräften. Für uns war deshalb klar, dass wir uns auch für Geflüchtete engagieren. Es ist uns wichtig, ihnen eine echte Chance und Perspektive hier in Deutschland zu bieten.

Welche Erfahrungen haben Sie bei der Einstellung gemacht?

Unsere Belegschaft stand von Anfang an hinter der Entscheidung, einem Geflüchteten die Ausbildung im Betrieb zu ermöglichen – auch wenn es für beide Seiten nicht leicht wird. Besonders positiv empfanden wir den Austausch mit regionalen Akteuren und Initiativen: Über den Mülheimer Flüchtlingshelferkreis kam der Kontakt zu Musa Nijie zustande. Und auch unsere IHK und Unternehmen, die bereits Geflüchtete beschäftigen, waren gute und hilfreiche Ansprechpartner für unsere Fragen.

Und Ihr Tipp an andere Unternehmen, die einen Flüchtling einstellen wollen?

Für uns war klar, dass wir den neuen Mitarbeiter erst einmal besser kennenlernen müssen, um seine Qualifikationen und Fähigkeiten einschätzen zu können. Mein Tipp an andere Unternehmen ist es daher, zunächst ein Praktikum anzubieten. Wir haben hier nur gute Erfahrungen gemacht: Die Mitarbeiter haben Musa Nijie gerne unterstützt und er war sehr wissbegierig. So reifte bei uns schnell der Entschluss, ihm einen Ausbildungsvertrag anzubieten.

Perspektiven für Frauen mit Fluchthintergrund bieten

Wie kann die Arbeitsmarktintegration geflüchteter Frauen gelingen? Wie können Sie als Betrieb den Berufseinstieg unterstützen?

Die Lock Your World GmbH & Co. KG aus Bad Orb mit rund 25 Mitarbeiter/-innen hat „pylocx“ – ein wartungsfreies mechatronisches Schließ- und Berechtigungssystem mit digitalisiertem Verfahren für den In- und Outdoor-Einsatz – entwickelt und auf den Markt gebracht. Zum Start des Ausbildungsjahres 2017 beschäftigt die geschäftsführende Gesellschafterin Manuela Engel-Dahan auch eine junge Frau aus Syrien als Kauffrau für Büromanagement in einer Teilzeit-Ausbildung.

Was war Ihre Motivation, eine Frau mit Fluchthintergrund zu beschäftigen?

Wir sollten alle gemeinsam anpacken, um die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten zu ermöglichen. Als Vorbildunternehmerin der Initiative „FRAUEN unternehmen“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie war für mich daher klar, dass ich gerne einer jungen Frau die Chance geben würde, bei uns im Unternehmen zu arbeiten. Ich freue mich sehr, dass Manal Bourhan aus Syrien nun seit dem 1. August 2017 als Auszubildende zur Kauffrau für Büromanagement bei uns tätig ist.

Welche Herausforderungen gibt es bei der Ausbildung?

Der Kreis Main-Kinzig, vor allem das Kommunale Center für Arbeit, vertreten durch Frau Erika Kollmann, unterstützt und berät uns bei allen Fragestellungen rund um die Beschäftigung der neuen Mitarbeiterin. Gemeinsam haben wir Lösungen zu Fragestellungen wie „Wer finanziert den Führerschein?“ und „Wie kann die Kinderbetreuung organisiert werden?“ gefunden. Zunächst war es auch schwer, das Abiturzeugnis aus Syrien von Frau Bourhan anerkennen zu lassen. In enger Zusammenarbeit mit den Behörden können wir als Betrieb auch schwierige Hürden nehmen und inzwischen gute Fortschritte erzielen.

Und Ihr Tipp an andere Betriebe?

Es ist wichtig, ganz offen an das Thema heranzugehen und von den Beispielen und Erfahrungen anderer Unternehmen zu lernen. Der Austausch – auch über Herausforderungen – hilft enorm. Und auch eine gute Zusammenarbeit mit den Behörden ist wichtig. Wenn alle gemeinsam an einem Strang ziehen, kann sich ein ganz neues Gemeinschaftsgefühl und eine neue Energie im Betrieb entwickeln, die auch dem Unternehmen zugutekommt.

Unterstützung für Unternehmen und Ausbilder beim Start in die Berufsausbildung

Wie finden Sie den passenden Auszubildenden /die passende Auszubildende mit Fluchthintergrund für Ihren Betrieb? Wer unterstützt die Ausbilder/-innen im Arbeitsalltag? Und wer hilft bei der Vermittlung von berufsbezogenen Sprachkenntnissen und unterstützt bei privaten Problemen und behördlichen Angelegenheiten?

REWE CENTER, HAMBURG-BILLSTEDT

Die REWE Group ist einer der führenden Handelsund Touristikkonzerne in Deutschland und Europa. Insgesamt arbeiten rund 330.000 Mitarbeiter/-innen in 19 europäischen Ländern bei dem Unternehmen mit Hauptsitz in Köln. Im REWE Center in Hamburg-Billstedt werden sie seit 2015 auch durch zwei Auszubildende mit Fluchthintergrund unterstützt.

Daniela Rodrigues, Leiterin des HR-Kompetenzcenters in der Zweigniederlassung Nord, hält die Sprachkenntnisse der neuen Mitarbeiter für den Schlüssel zur erfolgreichen Arbeitsmarktintegration. Gemeinsam mit der Initiative JOBLINGE hat REWE deshalb einen berufsbezogenen Sprachkurs für den Einzelhandel entwickelt.

Welche Rolle spielen Sprachkenntnisse für Sie bei der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten?

Sprachkenntnisse sind für uns sehr wichtig. Alle Mitarbeiter in unseren Märkten sind ständig in direktem Kontakt mit den Kunden und müssen daher Deutsch sprechen können.



Wie kamen Sie auf die Idee, gemeinsam mit JOBLINGE an einem Sprachkurs zu arbeiten?

Wir haben schnell gemerkt, dass vor allem spezifische Vokabeln für den Einzelhandel in Sprachkursen komplett fehlen. JOBLINGE hat dann angeboten, gemeinsam mit uns einen berufsbezogenen Sprachkurs für den Einzelhandel zu entwickeln. Gemeinsam mit einer Kollegin aus dem Ausbildungsbereich, einem Marktchef und einem Auszubildenden wurden entlang eines kompletten Arbeitstags Vokabellisten erstellt, die die relevanten Begriffe für den entsprechenden Ausbildungsberuf beinhalten. Aus diesen Listen entwickelte JOBLINGE dann Trainerleitfäden und Sprachkursmaterialien, die beim Unterricht unserer Auszubildenden zum Einsatz kommen.

Welchen Rat können Sie anderen Unternehmen geben?

Es gibt keinen Masterplan für die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen. Wir haben gemerkt, dass es wichtig ist, immer ganz individuell auf den einzelnen Mitarbeiter einzugehen, auch offen für Probleme und Herausforderungen zu sein und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.

Unterstützung bei der Besetzung von offenen Stellen

Sie können sich vorstellen, Mitarbeiter mit Fluchthintergrund zu beschäftigen, wissen aber nicht, wie Sie diese erreichen können? Sie wünschen sich Beratung zu den rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Beschäftigung Geflüchteter?

VORNHOLT GMBH, BORKEN

Die Landschaftsbau Vornholt GmbH steht in Nordrhein-Westfalen seit vielen Jahren für die erfolgreiche Abwicklung von großen Bauprojekten. Der Schwerpunkt des 50-Mann-Betriebs aus Borken liegt in den Bereichen Landschafts-, Gewässer- und Erdbau sowie der Realisierung und Pflege von hochwertigen Grünanlagen, Parks und Plätzen.

Seit einigen Jahren wird es im Bereich Garten- und Landschaftsbau in Nordrhein-Westfalen immer schwieriger, Bewerber für offene Ausbildungsplätze zu finden. Bernd Terhan, Geschäftsführer bei Landschaftsbau Vornholt, hat vieles versucht und beim Werben um zukünftige Auszubildende in einer Schule schließlich Theo Wöstmann, Willkommenslotse bei der DEULA Westfalen-Lippe GmbH, kennengelernt.

In welchen Bereichen wurden Sie unterstützt, wie sah die Zusammenarbeit aus?

Bernd Terhan: Wir haben über Herrn Wöstmann unseren aktuellen Auszubildenden im Garten- und Landschaftsbau gefunden. Er hat uns Herrn Mosavi aus Afghanistan vorgestellt und uns bei allen offenen Fragen unterstützt. Vor allem die Beratung zu den rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Beschäftigung von Geflüchteten und die aktive Begleitung bei der Kommunikation mit den Behörden hat uns sehr geholfen.

Warum würden Sie anderen Betrieben empfehlen, ebenfalls auf diese Form der Unterstützung zu setzen?

Bernd Terhan: Wir haben durch die Arbeit mit dem Willkommenslotsen einen engagierten und motivierten Auszubildenden gefunden. Vom Kennenlernen über den Weg in Arbeit bis zur aktiven Begleitung während der Ausbildung steht uns Herr Wöstmann zur Seite und entlastet uns mit seiner Arbeit sehr. Wir würden diesen Weg so jederzeit wieder gehen und empfehlen anderen Betrieben, dies auch zu tun.

Herr Wöstmann, was empfehlen Sie Betrieben, die Geflüchtete einstellen wollen?

Theo Wöstmann: Neben der Verständigung auf Deutsch gibt es eine Reihe weiterer Faktoren, die den Erfolg einer Beschäftigung maßgeblich beeinflussen. Um nur einige zu erwähnen: Bleibeperspektive, rechtlicher Status, Vorbildung aus dem Heimatland, Wissen um unser Berufs-/Ausbildungssystem (duale Ausbildung), Mobilitätsbereitschaft/-fähigkeit zum Erreichen von Arbeitsplatz/ Berufsschule, Sozialkompetenzen. Ein mehrwöchiges Praktikum ist optimal, um zu prüfen, ob die Rahmenbedingungen für beide passen.

Mitgliederbefragung: 300 Unternehmen beschäftigen 2500 Geflüchtete

Auswertung Online-Befragung 2016

Engagierte Unternehmen wollen Integration ausbauen

8. März 2017. Wie viele Geflüchtete haben den beruflichen Einstieg geschafft? An welchen Positionen konnten sie eingesetzt werden? Welche Hindernisse haben die Unternehmen dabei überwinden müssen?

Fragen wie diese werden nicht nur in der breiten Öffentlichkeit diskutiert. Auch und vor allem die Akteure, die sich mit der betrieblichen Integration befassen, stellen diese Fragen. Anhaltspunkte dafür können die Erfahrungen der Mitgliedsunternehmen des NETZWERKs Unternehmen integrieren Flüchtlinge geben.

300 Mitgliedsunternehmen beschäftigen knapp 2500 Geflüchtete.

Zentrale Erkenntnisse aus der Befragung im Winter 2016

  • 300 Unternehmen haben 2.500 Beschäftigungsverhältnisse für Geflüchtete geschaffen. Dabei ist der Einstieg oft ein Praktikum: 1560 Praktikumsstellen wurden geschaffen. Immerhin 271 Geflüchtete haben bereits eine Ausbildung begonnen oder bereiten sich im Rahmen einer Einstiegsqualifizierung auf die Ausbildung vor (332). Ebenso konnten bereits 40 Fachkraftstellen besetzt werden. Die sechs Führungspositionen bilden noch eine Ausnahme. Hilfsarbeitertätigkeiten üben derzeit 285 Geflüchtete aus.
  • Zwei Drittel der antwortenden Unternehmen waren kleine oder mittlere Unternehmen, ein Drittel große Unternehmen. Dabei waren alle Branchen vertreten. Den größten Anteil mit einem Viertel machten Industriebetriebe aus, gefolgt von Handel mit gut elf Prozent sowie Landwirtschaft und Handwerk mit je zehn Prozent.
  • 80 Prozent der Umfrageteilnehmer, die Geflüchtete in ihrem Betrieb beschäftigen, wollen ihr Integrationsengagement in gleicher Weise fortsetzen oder sogar erhöhen. Unternehmen ohne Mitarbeiter mit Fluchthintergrund äußern sich zurückhaltender über ihr künftiges Engagement. Etwas mehr als die Hälfte derer, die Ende 2016 noch keinen Flüchtling eingestellt hatten, plant dies in diesem Jahr zu ändern.
  • Betriebe, die bereits Geflüchtete eingestellt haben, schätzen Integrationshindernisse deutlich niedriger ein als solche, die noch keine Integrationserfahrungen gemacht haben. Bemerkenswert ist, dass nur die wenigsten Umfrageteilnehmer eine der Integrationshürden als unüberwindbar eingeschätzt haben.

Sprache ist die größte Herausforderung

  • Sprache und Bürokratieaufwand sehen Unternehmen als größte Herausforderungen bei der Integration an. Auch Unsicherheit bei der Personalplanung wegen drohender Abschiebung hemmt die Integration. Viele Unternehmen unterstützen Geflüchtete insbesondere beim Spracherwerb mit eigenen finanziellen, zeitlichen und organisatorischen Aufwendungen. So bieten immerhin knapp zwei Drittel der Teilnehmer Unterstützung beim Erwerb der deutschen Sprache an, beispielsweise durch die Finanzierung und Organisation von Deutschkursen durch externe Lehrer.

Hier geht es zur detaillierten Auswertung der Ergebnisse

Vielfalt im Unternehmen leben

Sie wollen interkulturelle Vielfalt ganz aktiv und praktisch in Ihrem Betrieb gestalten?

ZALANDO LOGISTICS SE & CO. KG, ERFURT

Zalando ist eine Online-Plattform für Mode und bietet Kunden in 15 Märkten eine umfassende Auswahl an Bekleidung, Schuhen und Accessoires. Mitarbeiter aus 119 Nationen stehen für eine vielfältige, offene und bunte Unternehmenskultur.

Lena Kleinschmidt, Managerin für Integration und Inklusion bei der Zalando Logistics SE & Co. KG, kümmert sich darum, dass kulturelle Vielfalt auch im Logistikzentrum in Erfurt ganz aktiv gelebt wird.

Wie kamen Sie auf die Idee, ein interkulturelles Führungskräftetraining anzubieten?

In unserem Logistikzentrum beschäftigen wir Mitarbeiter aus über 50 Nationen. Um ein Bewusstsein für diese unterschiedlichen Hintergründe zu schaffen, haben wir alle Führungskräfte und Abteilungsleiter zu einem interkulturellen Training eingeladen. So erhalten sie Unterstützung, kulturadäquat zu handeln, und ihre interkulturelle Kompetenz wird gefördert.

Warum haben Sie bei den Führungskräften begonnen und wie geht es nun weiter?

Führungskräfte haben eine wichtige Vorbildfunktion. Daher macht es Sinn, mit dieser Gruppe zu starten. Die Trainings wurden in einem zweiten Schritt durch eine Workshop-Serie ergänzt, die von Mitarbeitern für Mitarbeiter entwickelt wurde. Ziel ist es, so einen dauerhaften Dialog über Gemeinsamkeiten und Unterschiede anzuregen.

Die Ergebnisse wurden dann in einem Diversity-Leitbild festgehalten und sind an einer Infowand für alle Mitarbeiter zugänglich. Hier werden außerdem Angebote gemacht, sich aktiv für Vielfalt einzusetzen. Mitarbeiter können z. B. Sprachbuddys werden oder sich in Volunteering-Projekten engagieren.

Und Ihre Empfehlung an andere Unternehmen zum Thema Diversity Management?

Aus meiner Sicht ist es wichtig, nicht nur einzelne Maßnahmen zu verabschieden, sondern ein Konzept vor Augen zu haben. Die Unternehmenskultur spielt hier eine entscheidende Rolle, da Vielfalt vor allem gelebt werden muss.

Von Vielfalt profitieren

Sie wollen sowohl dem neuen Mitarbeiter/der neuen Mitarbeiterin mit Fluchthintergrund als auch der Stammbelegschaft interkulturelle Kompetenzen vermitteln und eine echte Integration ins Unternehmen und den Arbeitsalltag ermöglichen?

MF MERCEDÖL GMBH, BERLIN

Die mf Mercedöl GmbH ist ein Heizungs- und Sanitärbetrieb in Berlin. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus den verschiedensten Nationen tragen zur offenen Arbeitskultur des Unternehmens bei. Seit 2016 wird auch ein Geflüchteter zum Anlagenmechaniker ausgebildet.

Dorothee Gutzeit, Controllerin sowie Ausbildungsleiterin bei mf Mercedöl, steht der Stammbelegschaft und den neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bei interkulturellen Fragestellungen mit Rat und Tat zur Seite.

Vielfalt als Gewinn: Sie haben bereits Geflüchtete bei sich im Unternehmen eingestellt. Was war Ihre Motivation?

Für uns steht immer der Mensch im Vordergrund, ganz egal, woher jemand kommt. Die geflüchteten Menschen wollen wir über eine Ausbildung oder Beschäftigung in den deutschen Arbeitsmarkt integrieren. Denn eine berufliche Perspektive ist enorm wichtig, um Wurzeln zu fassen und in einem neuen Land anzukommen.

Welche Herausforderungen haben sich durch die interkulturelle Öffnung Ihres Unternehmens ergeben?

Durch die verschiedenen Kulturen ergeben sich ganz automatisch auch unterschiedliche Sichtweisen auf bestimmte Dinge. Die Frage ist dann immer, wie man im Betrieb mit diesen umgeht. Wichtig ist uns vor allem, dass für alle Mitarbeiter dieselben Regeln gelten. Wenn es um Feiertage oder das tägliche Gebet geht, versuchen wir aber natürlich mit unseren neuen Mitarbeitern im direkten Gespräch zu klären, wie sich diese Punkte in den Arbeitsalltag integrieren lassen.

Und Ihre drei Tipps an andere Unternehmen sind?

Wichtig ist es, sich ganz offen und unvoreingenommen mit den neuen Kulturen auseinanderzusetzen und offen zu kommunizieren – mit der Stammbelegschaft genauso wie mit den Geflüchteten. Zudem sollte es eine feste Ansprechperson im Unternehmen geben, die als „Vermittler“ bei Problemen bereitsteht. Und man sollte Mut haben, neue Wege zu gehen!

Neuer Wegweiser: Teilqualifikationen als Chance

Teilqualifikationen als Chance für Menschen mit Fluchthintergrund

Die co-check GmbH mit Sitz in Nürnberg ist ein AZAV-zertifizierter Bildungsträger mit Qualifizierungs- und Weiterbildungsmaßnahmen im Industrie- und Handwerksbereich. Der Geschäftsbereich Bildung wurde 2016 aus der Industrie heraus gegründet und kann daher auf Erfahrungen und Kenntnisse der hohen Anforderungen der industriellen Fertigung zurückgreifen.

Die nachhaltige Integration von Geflüchteten und Menschen mit Migrationshintergrund in den Arbeitsmarkt spielt eine immer größer werdende Rolle für die Unternehmensgruppe mit ca. 200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Eine schnelle, am Markt orientierte berufliche Qualifizierung in Kombination mit Sprachvermittlung sind ein guter Weg, beruflich Fuß zu fassen in Deutschland, erklärt Aram Azimi, Projektmanager bei co-check. Im Interview:

Wieso sind Teilqualifikationen (TQ) ein gutes Instrument für Menschen mit Fluchthintergrund?

Aram Arimi: Über TQ können Menschen mit Fluchthintergrund oftmals das erste Zertifikat mit Wertigkeit und Relevanz für den deutschen Arbeitsmarkt erwerben. Erste Lernerfolge im Rahmen der TQ führen bei unseren Teilnehmern und Teilnehmerinnen dann meist zu einem Lernhunger und können so der erste wichtige Schritt Richtung Fachkraft sein. Zudem sprechen TQ die Zielgruppe der über 25-Jährigen an, für die es grundsätzlich eher wenige Maßnahmen gibt, und bieten eine hohe Flexibilität für die Teilnehmenden.

Wie genau läuft die TQ-Maßnahme ab?

Aram Arimi: Wir haben die Maßnahme gemeinsam mit der IHK Nürnberg spezifisch für die Gruppe der Geflüchteten entwickelt. Die IHK Nürnberg führt am Ende einer TQ-Maßnahme eine Kompetenzfeststellung durch und vergibt ein IHK-Zertifikat, das eine bundesweit einheitliche Anerkennung garantiert. In die TQ-Maßnahme ist bei uns eine Kombination aus fachlicher Qualifizierung und dem Erlernen von fachspezifischem Deutsch über sechs bis sieben Monate integriert. Dann geht es zwei Monate für ein Praktikum in einen Betrieb. Stabilisierende Maßnahmen wie z. B. eine sozialpädagogische Betreuung der Teilnehmenden sind ebenfalls möglich.

Was empfehlen Sie anderen Betrieben?

Aram Arimi: Betriebe können unseren TQ-Teilnehmenden z. B. einen Praktikumsplatz anbieten oder Hilfskräfte im Unternehmen über eine Teilqualifizierung weiterbilden und so den Weg in Richtung Berufsabschluss ebnen. Wer sich für TQ interessiert, wendet sich am besten an seine IHK vor Ort oder an die Arbeitsagentur bzw. das Jobcenter. Wir tragen unseren Teil, von der kompletten Qualifizierung bis zur Vermittlung in den ersten Arbeitsmarkt, dann mit großer Freude bei.

Praktische Tipps zum Thema Teilqualifikationen

Warum Teilqualifikationen?

„Schritt für Schritt zum Berufsabschluss“ – so lässt sich die Grundidee von Teilqualifikationen (TQ) zusammenfassen. TQ richten sich an Menschen, die über 25 Jahre alt sind, entweder keinen oder einen nicht anerkannten Berufsabschluss haben und deren persönliche Situation eine klassische Ausbildung oder Umschulung nicht zulässt/vorsieht.

Für Menschen mit Fluchthintergrund kann dieses Instrument sehr interessant sein. Viele An- und Ungelernte haben bereits berufsrelevante Kompetenzen erworben, verfügen jedoch meist nicht über Nachweise, die diese beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten nachvollziehbar und vergleichbar dokumentieren. Ein aussagefähiges TQ-Zertifikat kann diese Lücke schließen.

Ziel ist es, im besten Fall durch den Erwerb mehrerer TQ nachträglich zum Berufsabschluss zu kommen. Dazu gibt es zwei Möglichkeiten: begleitend zur Beschäftigung oder in Voll- / Teilzeitmaßnahmen.

Vor diesem Hintergrund schaffen Teilqualifizierungen eine Win-win-Situation: Geringqualifizierte Personen erhöhen ihre Beschäftigungschancen, Unternehmen gewinnen neue Fachkräfte.


An wen können Sie sich wenden?

Sprechen Sie Ihre regionale IHK oder Arbeitsagentur bzw. Ihr Jobcenter an.

Auch das Projekt „CHANCEN NUTZEN! Mit Teilqualifikationen Richtung Berufsabschluss“ (zur Website) beantwortet gerne Ihre Fragen. Die Koordinierungsstelle berät, fördert den Austausch und begleitet IHKs bei der Entwicklung neuer Teilqualifikationsbausteine (Rita Willmann: T: +49 30 20308 6521; E-Mail: willmann.rita@dihk.de).





Wegweiser zum Download

Wie können ältere Geflüchtete ohne Berufsabschluss auf dem Weg zur Fachkraft unterstützt werden? Wie werden berufsrelevante Kompetenzen sichtbar? Lesen Sie das Interview mit der co-check GmbH sowie alle oben genannten Tipps in unserem Wegweiser zum Thema „Teilqualifikationen als Chance“ nach:

Zum Download als pdf

Weitere Wegweiser finden Sie in unserer Mediathek.

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