Auswertung Online-Befragung 2022
Veröffentlicht am: 15.02.2023
Ausbildung von Geflüchteten: Fach- und Führungskräfte mit Fluchthintergrund haben ihren Weg ganz überwiegend über die Ausbildung in ihre Position gefunden.
15.02.2023. Das siebte Jahr in Folge befragte das bundesweite NETZWERK Unternehmen integrieren Flüchtlinge seine Mitgliedsunternehmen zum aktuellen Stand der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten. Aufgrund des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und der damit einhergehenden erhöhten Fluchtbewegung nach Deutschland wurde die Befragung in diesem Jahr um Fragen zum Stand der Arbeitsmarktintegration von Ukrainerinnen und Ukrainern erweitert.
Von den zum Befragungszeitraum rund 3.300 Mitgliedern haben insgesamt 217 Unternehmen an der Befragung teilgenommen. 3 von 4 der teilnehmenden Betriebe (76 Prozent) sind kleine und mittelständische Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.
Zentrale Erkenntnisse
- 1. Die beiden Hauptbeweggründe der Unternehmen, Geflüchtete in ihren Betrieben zu beschäftigen, bleiben die Übernahme sozialer Verantwortung und der Fach- und Hilfskräftemangel. Beide Motivationen verbleiben auf ähnlich hohem Niveau.
- 2. Die häufigste Beschäftigungsform, die NETZWERK-Betriebe mit Geflüchteten besetzen, ist erstmals die Fachkraftstelle. 7 von 10 Unternehmen haben zudem ihre Fach- und Führungskräfte mit Fluchterfahrung zuvor selbst ausgebildet. Die Übernahmequote von Auszubildenden mit Fluchthintergrund war in den befragten NETZWERK-Unternehmen sehr hoch (91 Prozent).
- 3. Als größte Herausforderung in 2022 bewerten Unternehmen die komplizierten Verfahren und Vorschriften bei der Beschäftigung von Geflüchteten. Betriebe unterstützen ihre Mitarbeitenden entsprechend bei behördlichen Angelegenheiten und Herausforderungen im Alltag.
- 4. 7 von 10 Unternehmen haben regelmäßige Kommunikationsroutinen mit den Berufsschulen ihrer Auszubildenden etabliert.
- 5. NETZWERK Unternehmen bieten berufliche Perspektiven für Geflüchtete aus der Ukraine. Die wichtigsten Voraussetzungen für eine Beschäftigung aus Sicht der Unternehmen sind dabei der Abbau von Sprachbarrieren, Gewissheit über die Bleibeabsichten der Geflüchteten und die Schaffung einer sicheren Rechtslage.
Die Ergebnisse im Jahresvergleich
1. Die beiden Hauptbeweggründe der Unternehmen, Geflüchtete in ihren Betrieben zu beschäftigen, bleiben die Übernahme sozialer Verantwortung und der Fach- und Hilfskräftemangel. Beide Motivationen verbleiben auf ähnlich hohem Niveau.
Auch im Jahr 2022 bleiben die Übernahme sozialer Verantwortung (81 Prozent) und der Fach- und Hilfskräftemangel (77 Prozent) die beiden zentralen Motive der Unternehmen, Geflüchtete zu beschäftigen. Mit 2 Prozentpunkten Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr (2021: 79 Prozent) ist das Bewusstsein der Unternehmen soziale Verantwortung zu übernehmen nochmals leicht angestiegen. Dies hat sich in der Praxis vor allem in der großen humanitären Hilfsbereitschaft vieler Unternehmen gleich zu Beginn des Angriffskrieges auf die Ukraine gezeigt. Zudem wurde von den Betrieben auch schon frühzeitig signalisiert, auch berufliche Perspektiven für die Menschen aus der Ukraine bieten zu wollen.
Zusätzlich zu der Belastung durch den Krieg in Europa und die Nachwirkungen des Pandemiegeschehens, stellt auch der Fachkräftemangel weiterhin eine große Herausforderung für deutsche Unternehmen dar und wird so ebenfalls zu einem wichtigen Beweggrund für die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten. Entsprechend geben weiterhin 3 von 4 Unternehmen (77 Prozent; 2021: 79 Prozent) an, Geflüchtete aufgrund des anhaltenden Fach- und Hilfskräftemangels einzustellen oder auszubilden.
Darüber hinaus benennen 4 von 10 Unternehmen die mit der Beschäftigung Geflüchteter einhergehende kulturelle Vielfalt im Betrieb als Motivation für die Beschäftigung von Menschen mit Fluchthintergrund.
2. Die häufigste Beschäftigungsform, die NETZWERK-Betriebe mit Geflüchteten besetzen, ist erstmals die Fachkraftstelle. 7 von 10 Unternehmen haben zudem ihre Fach- und Führungskräfte mit Fluchterfahrung selbst ausgebildet. Die Übernahmequote von Auszubildenden mit Fluchthintergrund war in den befragten NETZWERK-Unternehmen sehr hoch (91 Prozent).
Erstmals seit Befragungsbeginn ist die Fachkraftstelle die häufigste Beschäftigungsform (50 Prozent), die Unternehmen mit Menschen mit Fluchterfahrung besetzen. Der Anteil der Betriebe, die in dieser Rolle Geflüchtete beschäftigen, ist seit 2016 stetig gestiegen und hat sich damit im Vergleich zum Jahr 2016 verfünffacht (2016: 10 Prozent). Dem gegenüber ist der Anteil an Unternehmen, die Geflüchtete ausbilden zum Vorjahr um 9 Prozentpunkte auf 43 Prozent gesunken (2021: 52 Prozent) und die Besetzung von Geflüchteten für Hilfsarbeitertätigkeiten um 8 Prozentpunkte auf 38 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen (2021: 30 Prozent).
Eine mögliche Begründung dafür könnte sein, dass der Anteil an ausbildungs- und berufsvorbereitenden Beschäftigungsformen wie Praktikum und Einstiegsqualifizierung, laut unserer Befragungen in 2020 und 2021, stark gesunken ist. Dies könnte zufolge haben, dass junge Menschen mit Fluchthintergrund die duale Ausbildung weniger als perspektivreichen Karriereeinstieg kennenlernen konnten, ihn demzufolge weniger in Erwägung gezogen haben und stattdessen versuchten über Hilfsarbeitertätigkeiten am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
Zudem hat sich auch in diesem Jahr die hohe Übernahmequote vom Auszubildenden zur Fachkraft fortgesetzt. 85 Prozent der befragten Unternehmen geben an, dass ihre Auszubildenden bereits erfolgreich ihre Ausbildungsprüfungen bestanden haben. Von diesen Betrieben haben wiederum 91 Prozent ihre vorherigen Auszubildenden als Fachkraft übernommen. Nur sieben Prozent der Unternehmen haben sich gegen eine Übernahme entschieden.
Dass die duale Ausbildung ein Erfolgsmodell für einen guten Start in eine langfristige berufliche Karriere bietet, zeigt sich auch an der hohen Quote von Geflüchteten, die als Fachkräfte in ihren Betrieben bleiben. Demnach geben 7 von 10 Unternehmen an, die Personen, die sie als Fach- und Führungskräfte beschäftigen, vorab auch selbst ausgebildet zu haben.
3. Als größte Herausforderung in 2022 bewerten Unternehmen die komplizierten Verfahren und Vorschriften bei der Beschäftigung von Geflüchteten. Betriebe unterstützen ihre Mitarbeitenden bei behördlichen Angelegenheiten und Herausforderungen im Alltag.
Die Einschätzung der Herausforderungen, die mit der Integration von Menschen mit Fluchthintergrund im Betrieb einhergehen, erfährt in diesem Jahr einen starken Wandel. Während die Herausforderung „komplizierten Verfahren und Vorschriften“ von den Unternehmen vor allem in den Anfangsjahren des NETZWERKs (2016/2017) als große Herausforderung bewertet wurde und im Laufe der Zeit und mit zunehmender Erfahrung mit den bürokratischen Hürden kontinuierlich abnahm, hat sich diese Einschätzung nun wieder verstärkt. 41 Prozent der Betriebe bewerten diese Herausforderung nun wieder als „nicht zu überwinden“ oder „sehr schwierig“ (2021: 32 Prozent).
Ein möglicher Grund dafür könnte sein, dass mit dem russischen Krieg in der Ukraine und der damit einhergehenden großen Zahl an geflüchteten Menschen aus der Ukraine, viele Unternehmen sich erstmals mit den Voraussetzungen der Arbeitsmarktintegration Geflüchteter Menschen im eigenen Betrieb beschäftigt haben. Denn auch wenn im Vergleich zu den komplexen Asylverfahren, der Arbeitsmarktzugang für Ukrainerinnen und Ukrainer verhältnismäßig unbürokratisch gehandhabt wurde, haben vor allem in den ersten Monaten die unterschiedlichen zeitlichen und zum Teil bürokratischen Abläufe und Umsetzungen in den einzelnen Bundesländern für Schwierigkeiten in der Praxis gesorgt. Hinzu kamen neue Hürden, wie beispielsweise ein schneller Zugang zu Integrations- und Sprachkursen, zu Wohnraum und Kinderbetreuung.
Dem gegenüber wurden die drei größten Herausforderungen des letzten Jahres „Schwierigkeiten in der Berufsschule“, „Sprachprobleme“ sowie „Unsicherheiten in der Personalplanung wegen drohender Abschiebung“ im Befragungsjahr 2022 als deutlich weniger herausfordernd bewertet. Dies könnte vor allem damit zusammenhängen, dass im dritten Jahr des Pandemiegeschehens der Unterricht in den Berufsschulen, die Arbeit in den Betrieben und Sprachkurs- und Förderangebote wieder wie gewohnt stattfinden konnten. Dass anteilig weniger Betriebe Geflüchtete ausbilden, könnte zudem die Bewertung der Herausforderung „Schwierigkeiten in der Berufsschule“ beeinflussen.
Als kleine Herausforderungen (wenn überhaupt) wurden in 2022 die Aspekte „kulturelle Unterschiede“ und „Kontakt zu Geflüchteten finden“ von den Unternehmen genannt.
Fast alle Unternehmen bieten ihren geflüchteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gezielte Unterstützungsmöglichkeiten an, um sich besser im Betrieb und im Alltag zurechtzufinden (97 Prozent im Vergleich zu 3 Prozent, die keine Unterstützung anbieten).
Passend zu der Herausforderung „komplizierte Verfahren und Vorschriften“, die in 2022 als besonders groß eingeschätzt wurde, unterstützen knapp 6 von 10 Unternehmen die Geflüchteten in ihrem Betrieb bei Behördengängen.
4. 7 von 10 Unternehmen haben regelmäßige Kommunikationsroutinen mit den Berufsschulen ihrer Auszubildenden etabliert.
Zum ersten Mal haben wir unsere Mitgliedsunternehmen in 2022 gefragt, ob ein regelmäßiger Kontakt zu den Berufsschulen ihrer Auszubildenden besteht und wie dieser gegebenenfalls stattfindet. Knapp 7 von 10 Unternehmen gaben an in regelmäßigem Austausch mit den Berufsschulen zu stehen. Häufig genannte Formate sind dabei Ausbilder*innen-Sprechtage oder Sprechtage der Berufsschulen, persönlicher Kontakt zwischen Ausbilder*innen und Berufsschullehrer*innen per E-Mail und Telefon oder regelmäßige Jour Fixe-Termine.
Wie in den beiden vergangenen Jahren haben wir unsere Mitgliedsunternehmen außerdem gefragt, welche Maßnahmen ihren Azubis bei der Prüfungsvorbereitung geholfen haben. Auch in 2022, wurden „der Kontakt zu anderen Auszubildenden“, z.B. im Rahmen von Lerngruppen (64 Prozent, 2021: 77 Prozent), „Mentoringprogramme innerhalb des Unternehmens“ (60 Prozent, 2021: 72 Prozent) und die „Unterstützung durch staatliche Förderinstrumente wie ausbildungsbegleitende Hilfen und der Assistierten Ausbildung“ (57 Prozent, 2021: 52 Prozent) als die effektivsten Hilfestellungen bei der Prüfungsvorbereitung genannt.
5. NETZWERK-Unternehmen bieten berufliche Perspektiven für Geflüchtete aus der Ukraine. Die wichtigsten Voraussetzungen für eine Beschäftigung aus Sicht der Unternehmen sind dabei der Abbau von Sprachbarrieren, Gewissheit über die Bleibeabsichten der Geflüchteten und die Schaffung einer sicheren Rechtslage.
Hinweis: Das Netzwerk Unternehmen integrieren Flüchtlinge hat zu den folgenden Fragen parallel zur Mitgliederbefragung eine für Deutschland repräsentative Umfrage gemeinsam mit dem Institut der deutschen Wirtschaft in Köln durchgeführt.
NETZWERK-Unternehmen sind offen für die Zielgruppe Ukrainerinnen und Ukrainer, knapp die Hälfte der befragten Unternehmen hatte zum Befragungszeitpunkt (4. Quartal 2022) bereits Kontakt zu Geflüchteten aus der Ukraine.
Die Kontakte entstanden dabei vor allem durch persönliche Kontakte der Mitarbeitenden (44 Prozent). Zu vielen Kontakten kam es allerdings auch dadurch, dass die Geflüchteten aktiv auf die Unternehmen zugegangen sind (39 Prozent), die Unternehmen aktiv den Kontakt zu Geflüchteten aus der Ukraine aufgenommen haben (31 Prozent) oder ehrenamtliche Personen oder Religionsgemeinschaften den Kontakt hergestellt haben (29 Prozent).
Dort wo es zu einem Kontakt zwischen den Unternehmen des Netzwerkes und Geflüchteten aus der Ukraine gekommen ist, resultierte dieser Kontakt bereits häufig in einem Anstellungsverhältnis. Auffällig ist dabei, dass ein Großteil dieser Anstellungsverhältnisse Arbeitsverträge waren, während Praktikumsverträge bzw. Probearbeiten und Ausbildungsverträge zunächst eine untergeordnete Rolle zu spielen scheinen.
Ein möglicher Grund dafür könnte der überdurchschnittlich hohe Bildungsstand bei Geflüchteten aus der Ukraine sein (siehe Umfrage des BMI, März 2022). Allerdings wurde in der vorliegenden Befragung nicht explizit erhoben, ob die Geflüchteten Ukrainer*innen zunächst als Hilfskräfte oder bereits als Facharbeiter*innen angestellt wurden.
Um überhaupt oder gegebenenfalls weitere Geflüchtete aus der Ukraine beschäftigen zu können, müssten, laut den Netzwerkunternehmen, vor allem Sprachbarrieren abgebaut werden (68 Prozent). Zusätzlich wünschen sich die Unternehmen mehr Klarheit über die Bleibeabsichten der Geflüchteten aus der Ukraine (52 Prozent). Ergänzend spielen auch die Faktoren „Schaffung einer sicheren Rechtslage“ (47 Prozent) und „Vereinfachung der Einschätzung und Anerkennung ausländischer Qualifikationen“ (36 Prozent) eine Rolle.
Weitere Informationen
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Das NETZWERK Unternehmen integrieren Flüchtlinge wurde 2016 als gemeinsame Initiative der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz gegründet. Mit aktuell über 3.400 Mitgliedern ist es deutschlandweit der größte Zusammenschluss von Unternehmen, die sich für die Beschäftigung von Geflüchteten engagieren. Die Angebote des NETZWERKs wie Informationsmaterialien, Webinare, Workshops und Veranstaltungen sind wie die Mitgliedschaft kostenlos.
Weitere Information unter www.unternehmen-integrieren-fluechtlinge.de.
Pressekontakt
Caroline Strobel
NETZWERK Unternehmen integrieren Flüchtlinge
E-Mail: strobel.caroline@dihk.de
Tel.: +49 30 20 308 – 6551