Auswertung Online-Befragung 2021

Veröffentlicht am: 23.03.2022

Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten: Die Übernahme sozialer Verantwortung bleibt für NETZWERK-Unternehmen zentrales Motiv.

23. März 2022. Das sechste Jahr in Folge befragte das bundesweite NETZWERK Unternehmen integrieren Flüchtlinge seine Mitgliedsunternehmen zum aktuellen Stand der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten. Aufgrund der anhaltenden Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die deutsche Wirtschaft wurde die Befragung auch in diesem Jahr um Fragen zum Einfluss der Pandemie auf die Ausbildung und Beschäftigung von Geflüchteten ergänzt.

Von den zum Befragungszeitraum rund 2.800 Mitgliedern haben insgesamt 275 Unternehmen an der Befragung teilgenommen. Drei von vier der teilnehmenden Betriebe (75 Prozent) sind kleine und mittelständische Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.

Zentrale Erkenntnisse

Die Ergebnisse im Jahresvergleich

1. Die zentralen Motive der Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten bleiben die Übernahme sozialer Verantwortung sowie der Fach- und Hilfskräftemangel.

Die beiden zentralen Motive für Unternehmen, Menschen mit Fluchthintergrund in ihren Betrieben auszubilden und zu beschäftigen, sind weiterhin die Übernahme sozialer Verantwortung (79 Prozent) und der Fach- und Hilfskräftemangel (79 Prozent). Mit 9 Prozentpunkten Zuwachs im Vergleich zum Vorjahr (2020: 70 Prozent) ist der Fach- und Hilfskräftemangel damit auf dem höchsten Niveau seit Befragungsbeginn und spiegelt damit auch die bereits vor der Krise bekannte Herausforderung zahlreicher Betriebe wider, offene Stellen nicht mehr besetzen zu können. Darüber hinaus benennen 4 von 10 Unternehmen die mit der Beschäftigung Geflüchteter einhergehende kulturelle Vielfalt im Betrieb als Motivation für die Beschäftigung von Menschen mit Fluchthintergrund.

Abb. 1: Beweggründe der Unternehmen Geflüchtete einzustellen
Abb. 2: Beweggründe der Unternehmen Geflüchtete einzustellen im Jahresvergleich

2. Die Ausbildung ist weiterhin die häufigste Beschäftigungsform. Die Besetzung von Fachkraftstellen mit Menschen mit Fluchthintergrund erfährt zudem starken Zuwachs.

Erstmals seit Befragungsbeginn liegen die Anteile der Unternehmen, die Geflüchtete ausbilden oder als Fachkraft beschäftigen, in etwa gleichauf. Während 52 Prozent der Unternehmen angaben, Menschen mit Fluchthintergrund auszubilden, beschäftigen nun auch 49 Prozent der befragten Betriebe Geflüchtete als Fachkräfte. Damit hat sich der kontinuierliche Zuwachs an Fachkraftstellen auch in diesem Jahr fortgesetzt und ist im Vergleich zum Vorjahr nochmals um 12 Prozentpunkte auf 49 Prozent gestiegen.

Abb. 3: Prozentuale Verteilung nach Beschäftigungsform

Auch im zweiten Jahr der Corona-Pandemie hat sich die hohe Übernahmequote vom Auszubildenden zur Fachkraft fortgesetzt. 68 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass ihre Auszubildenden bereits erfolgreich die Prüfungen bestanden haben. Von diesen Betrieben haben bereits 96 Prozent ihre vorherigen Auszubildenden als Fachkraft übernommen. Nur ein Prozent der Unternehmen hat sich gegen eine Übernahme entschieden.

Abb. 4: Übernahme als Fachkraft nach bestandener Abschlussprüfung

Der Anteil an ausbildungs- und berufsvorbereitenden Beschäftigungsformen wie Praktikum und Einstiegsqualifizierung ist auch im Jahr 2021 weiter gesunken. Während vor der Krise 2019 noch 40 Prozent der Unternehmen Geflüchtete im Rahmen eines Praktikums oder anderen vorbereitenden Maßnahmen auf eine Ausbildung vorbereiteten, waren es 2020 nur noch ein Viertel der Unternehmen und im Jahr 2021 nur noch 23 Prozent. Dieser Trend hat sich auch bei dem staatlichen Instrument der Einstiegsqualifizierung fortgesetzt: Während 2019 noch jedes vierte Unternehmen eine EQ angeboten hat, war es im zweiten Jahr der Corona-Pandemie nur noch jedes Neunte (11 Prozent). Die Anteile an Geflüchteten in Führungspositionen und Hilfsarbeitertätigkeiten sind 2021 auf dem Vorjahresniveau geblieben.

Abb. 5: Prozentuale Verteilung nach Beschäftigungsform im Jahresvergleich

3. Die Corona-Pandemie hat insbesondere die Durchführung von Sprachkursangeboten sowie das Finden und Kennenlernen von Bewerberinnen und Bewerbern negativ beeinflusst. Ein angepasster Ausbildungsalltag, regelmäßiger Austausch mit der Berufsschule und digitalisierte Bewerbungsprozesse sind wichtige Stellschrauben, um die Ausbildung aufrechtzuerhalten.

Auch im zweiten Jahr der Corona-Pandemie litten viele Unternehmen unter den Auswirkungen, die die Einschränkungen im Zuge der Pandemie-Eindämmung mit sich brachten. Um besser einschätzen zu können, welche Bereiche in der Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Fluchterfahrung besonders negativ beeinflusst wurden, wurden diese erstmalig abgefragt. Die vier am häufigsten genannten Aspekte sind erstens der Zugang und die Durchführung von Sprachkursen (47 Prozent), zweitens das Finden und Kennenlernen von BewerberInnen mit Fluchthintergrund (46 Prozent), drittens das Einschätzen von Qualifikationen (36 Prozent) und viertens die alltägliche Kommunikation im Unternehmen (34 Prozent).

Abb. 6: Aspekte der Ausbildung und Beschäftigung, die durch die Corona-Pandemie besonders negativ beeinflusst wurden

Trotz der genannten negativen Auswirkungen auf verschiedene Bereiche der Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Fluchthintergrund konnten 95 Prozent der befragten Betriebe geeignete Lösungen finden, um trotz Kontaktbeschränkungen und Hygienevorschriften Geflüchtete auszubilden. Knapp die Hälfte der Unternehmen gibt an, dass der Ausbildungsalltag an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst wurde (49 Prozent), indem beispielsweise Inhalte digitalisiert oder die Arbeit in Kleingruppen ermöglicht wurde. 40 Prozent der Unternehmen stehen in aktivem Austausch mit der Berufsschule, um Lerninhalte abzusprechen. Davon wiederum geben mehr als 60 Prozent der befragten Betriebe an, dass sie feste Austauschformate und Kommunikationsroutinen mit der Berufsschule nutzen. Im Rahmen einer Freitextabfrage wurden neben der persönlichen, telefonischen und schriftlichen Kommunikation mit den Lehrkräften vor allem regelmäßige persönliche und digitale Ausbildersprechtage von den Unternehmen als etablierte Kommunikationsroutinen genannt. Darüber hinaus hat mehr als jedes dritte Unternehmen den Auszubildenden spezifische Lernzeiten im Home Office eingeräumt (35 Prozent). Um auch weiterhin ausbilden zu können und geeignete Kandidaten und Kandidatinnen zu finden, hat jedes vierte Unternehmen den Bewerbungsprozess digitalisiert (27 Prozent). Dennoch hat das Pandemiegeschehen auch im Bereich der Ausbildung Spuren hinterlassen: Der Anteil der Unternehmen, die als Folge der Corona-Pandemie weniger Geflüchtete ausbilden, ist zwar weiterhin gering, hat sich im Vergleich zum Vorjahr jedoch fast verdoppelt (2021: 13 Prozent und 2020: 7 Prozent).

Abb. 7: Lösungen im Umgang mit Kontaktbeschränkungen

4. Schwierigkeiten in der Berufsschule und Sprachprobleme werden von den Unternehmen als größte Herausforderungen bewertet. Als zunehmend schwierig schätzen Betriebe komplizierte Verfahren und mangelnde Vorkenntnisse ein.

Die drei größten Herausforderungen für Unternehmen bei der Integration von Geflüchteten sind Schwierigkeiten in der Berufsschule (43 Prozent), Sprachprobleme (34 Prozent) sowie Unsicherheiten in der Personalplanung wegen drohender Abschiebung (33 Prozent). Auch hier scheint die Corona-Pandemie nicht spurlos an den Unternehmen vorübergegangen zu sein. Während die meisten der genannten Herausforderungen in den letzten Jahren als immer weniger herausfordernd eingeschätzt wurden, hat sich dieser Trend bei den meisten Kategorien gedreht. Alle drei Hauptherausforderungen wurden von den Betrieben wieder vermehrt als „nicht zu überwinden“ oder „sehr schwierig“ eingeschätzt. Wobei sich die Schwierigkeiten in der Berufsschule und Sprachprobleme auf einem Höchststand seit Befragungsbeginn befinden. Gründe für den spezifischen Anstieg bei den Schwierigkeiten in der Berufsschule und den Sprachproblemen können sein: die mit den Lockdownphasen eingehenden Unterrichtsausfälle, vermehrt individuelle Fehltage durch Quarantänezeiten und die zunehmende digitale Kommunikation und Beschulung, die für Menschen mit Fluchthintergrund oftmals eine große Herausforderung darstellt. Als zunehmend herausfordernd schätzen die Unternehmen aktuell komplizierte Verfahren (32 Prozent, 2020: 32 Prozent), mangelnde Vorkenntnisse der Geflüchteten (29 Prozent, 2020: 27 Prozent) und die Einschätzung vorhandener Qualifikationen ein (25 Prozent, 2020: 25 Prozent).

Abb. 8: Herausforderungen für Unternehmen, die als "sehr schwierig" und "nicht zu überwinden" eingeschätzt werden, im Jahresvergleich
(Anmerkung: Einschätzung der Qualifikationen und Schwierigkeiten in der Berufsschule werden erst seit 2018 abgefragt)

5. Unternehmen bieten Ihren Auszubildenden und Mitarbeitenden mit Fluchthintergrund vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten an. Im Rahmen der Prüfungsvorbereitung haben sich vor allem innerbetriebliche Angebote bewährt.

Fast alle Unternehmen bieten ihren geflüchteten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gezielte Unterstützungsmöglichkeiten an, um sich besser im Betrieb und im Alltag zurechtzufinden (97 Prozent im Vergleich zu 3 Prozent, die keine Unterstützung anbieten). Hier decken sich die zuvor angeführten Herausforderungen der Unternehmen mit deren Unterstützungsangeboten. Am häufigsten unterstützen Betriebe ihre Auszubildenden mit Nachhilfeunterricht (65 Prozent, 2020: 58 Prozent) und bei Behördengängen (60 Prozent, 2020: 61 Prozent). Nachdem im ersten Coronajahr das Angebot an zusätzlichen Sprachkursen leicht zurückgegangen ist (von 55 Prozent in 2019 auf 50 Prozent in 2020) wurde diese Unterstützungsmöglichkeit in diesem Jahr wieder vermehrt von den Betrieben angeboten (57 Prozent).

Abb. 9: Unterstützungsangebote der Unternehmen
Abb. 10: Unterstützungsangebote der Unternehmen im Jahresvergleich

Auch in diesem Jahr haben wir die Unternehmen, deren Auszubildende bereits die Prüfung bestanden haben, gefragt, welche Maßnahmen bei der Prüfungsvorbereitung geholfen haben. Hier haben sich, wie auch im Vorjahr, vor allem die betriebsinternen Angebote als besonders hilfreich erwiesen und auch einen deutlichen Zuwachs von jeweils mehr als 10 Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr erfahren. Dazu zählen der Kontakt zu anderen Auszubildenden, z.B. im Rahmen von Lerngruppen (77 Prozent, 2020: 64 Prozent) und Mentoringprogramme innerhalb des Unternehmens (72 Prozent, 2020: 60 Prozent.) Darüber hinaus benennen die Unternehmen auch die Unterstützung durch staatliche Förderinstrumente wie ausbildungsbegleitende Hilfen und der Assistierten Ausbildung (52 Prozent), zusätzliche Sprachkurse (47 Prozent) und die Unterstützung durch Ehrenamtliche (33 Prozent).

Abb. 11: Genutzte Unterstützungsangebote zur Prüfungsvorbereitung

Weitere Informationen

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Das NETZWERK Unternehmen integrieren Flüchtlinge wurde 2016 als gemeinsame Initiative des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) und des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gegründet. Mit aktuell über 2.900 Mitgliedern ist es deutschlandweit der größte Zusammenschluss von Unternehmen, die sich für die Beschäftigung von Geflüchteten engagieren. Die Angebote des NETZWERKs wie Informationsmaterialien, Webinare, Workshops und Veranstaltungen sind wie die Mitgliedschaft kostenlos.

Weitere Information unter www.unternehmen-integrieren-fluechtlinge.de.

Pressekontakt

Katharina Reiche
NETZWERK Unternehmen integrieren Flüchtlinge
E-Mail: reiche.katharina@dihk.de
Tel.: 030 20308 6559