4 Fragen an unsere Regionalbotschafterin aus Berlin

Veröffentlicht am: 14.09.2020

Ein Interview mit Eva Witzgall von der Bayer AG

Um bundesweit Best Practices zu erarbeiten, hat das NETZWERK Unternehmen integrieren Flüchtlinge im zweiten Jahr Betriebe aus den einzelnen Bundesländern ausgewählt, die für ein Jahr den Titel „Regionalbotschafter“ tragen. So entsteht ein Netzwerk von Experten, das die Arbeitsmarktintegration praktisch lebt und die Expertise an Unternehmen in der Region weitergibt. In Form von kurzen Interviews möchten wir hier unsere Regionalbotschafter vorstellen.

Für Berlin sprachen wir mit unserer Regionalbotschafterin Eva Witzgall. Für die Bayer AG betreut sie die Geflüchteten im Betrieb.

Ich bin Regionalbotschafterin, weil …

... mir die Integration von Geflüchteten über Arbeit sehr am Herzen liegt. Ich bin überzeugt, dass Teilhabe am normalen Arbeits- und Alltagsgeschehen eines Landes die beste Form der Integration ist. Sie ist gleichzeitig eine Prävention für ein friedliches Miteinander in einer funktionierenden, demokratischen Gesellschaft. Schon mittelfristig kann eine Gesellschaft und die Wirtschaft von der „Investition“ am Anfang profitieren, da mit den neuen KollegInnen auch neue Sichtweisen, Know-how und interessante Impulse einfließen, die sich bereichernd auswirken. Deutschland ist ein Exportland, die Welt ist unser Kunde. Durch die zugewanderten Menschen verstehen wir die Welt ein Stück mehr.

Meine beste Erfahrung in der Arbeit mit Menschen mit Fluchthintergrund ist es, ...

... die Entwicklung der Einzelnen begleiten zu dürfen. Da gab es mal eine geflüchtete Frau mit zwei Kindern im Kita-/Schulstart-Alter, die nach wenigen Monaten in Deutschland noch einmal einen kompletten Neustart ins Berufsleben über ein 6-monatiges EQ-Programm in die Ausbildung gewagt und sich zugemutet hat. Wie sie sich „durchgebissen“ hat, Deutsch und dann Englisch erlernt hat. Welchen Mut für ein enges Vertrauensverhältnis und die damit verbundene Beratung und Begleitung durch Ausbilder in der Ausbildung aufbrachte. Am Ende schloss sie eine kaufmännische Ausbildung nach 2,5 Jahren erfolgreich ab und wurde direkt in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis mit „Kusshand“ übernommen.

Schwierig war bei uns zunächst ...

... die Aufstellung von sinnvollen Ausbildungsprogrammen. Wir konnte es lösen, indem wir uns mit anderen Betrieben und dem Jobcenter eng und ehrlich austauschten. Wir sprachen überall Leute auf ihre möglichen Erfahrungen an und bekamen so viele Eindrücke. Hilfreich war dann in der Umsetzungspraxis ein kontinuierliches Feedback der Geflüchteten, also die Integration der Arbeit auf Metaebene. Wir fragten regelmäßig ab, wie Sie die Programm-Module und -Inhalte empfanden, ob sie unsere Maßnahmen hilfreich fanden, was sie ggf. für geeigneter halten würden. Das entwickelte sich zu einem kontinuierlichen Verbesserungsprozess.

Den Betrieben in Berlin gebe ich mit,...

... dass die Fachsprache unbedingt schnell von Anfang an gefördert werden sollte. Es lohnt sich sogar notfalls dafür 2-3 Stunden pro Woche auf Berufspraxis zu verzichten. Das zahlt sich schnell in besserem Verstehen, Lernen und besserer Mitarbeit aus. Als Unternehmen sollte man sich dafür einsetzen, dass schnell stabile Lebensverhältnisse (Wohnung, Status, etc.) geschaffen werden. Wenn die Lebensverhältnisse prekär sind, wirkt sich die Instabilität oft sehr negativ auf den Lernerfolg aus und produziert hohe Ausfallzeiten. Es sollte eine Person mit kulturellem Hintergrundwissen als „Mentor“ zur Verfügung stehen, damit gerade während der Startphase Hemmnisse gemeinsam ausgeräumt werden können. Und schließlich sollte man den Austausch zu anderen Betrieben suchen, die ebenfalls Integrationsarbeit leisten.

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