
CARE beschäftigt vier Geflüchtete in fünf verschiedenen Beschäftigungsarten
Projektleiter Thomas Knoll über Herausforderungen und Erfahrungen als Arbeitgeber
12. September 2017. Syrien, Jordanien, Ägypten oder Irak, aber auch im Sudan oder in Kenia – in diesen Ländern ist CARE eigentlich aktiv. Als Verein für internationale Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe unterstützt CARE Menschen, die von Flucht und Migration betroffen sind. CARE leistet nicht nur Hilfe, sondern ist auch Arbeitgeber. Viele Geflüchtete engagieren sich in CARE-Projekten, zum Beispiel in den Nachbarländern Syriens oder als Lehrkräfte im kenianischen Flüchtlingscamp in Daadab.
Seit Herbst 2016 ist CARE auch in Deutschland Arbeitgeber von Geflüchteten. Mit dem Projekt „KIWI – Kinder und Jugendliche willkommen“ unterstützt CARE Schulen und andere Einrichtungen, die Jugendliche mit Flucht- und Migrationsgeschichte aufgenommen haben. Im Interview berichtet KIWI-Projektleiter Thomas Knoll über Herausforderungen und Erfahrungen als Arbeitgeber.
Wie entstand die Idee eines Projektes für Geflüchtete in Deutschland?
Als seit Anfang 2015 bis heute circa 400.000 Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter nach Deutschland kamen, wurde schnell klar, dass Schulen auf diese Herausforderung nicht ausreichend vorbereitet waren. Bei der Überlegung, welchen Beitrag CARE zu einer gelungenen Integration leisten kann, konnten wir aus unserer Kompetenz im Ausland schöpfen.
Warum haben Sie sich entschieden, Geflüchtete zu beschäftigen?
Zum einen verstehen wir Integration nicht als Einbahnstraße. Deswegen ist es wichtig, die Perspektive der Geflüchteten auch in der Zusammensetzung unseres Teams zu repräsentieren. Zum anderen sind aus unserer Erfahrung Erfolgserlebnisse und eigenes Engagement die beste Methode, um Heimatverlust und traumatische Erlebnisse aus dem Krieg und der Flucht zu verarbeiten. Eine berufliche Tätigkeit gibt positive Impulse und einen starken Fokus auf die Zukunft. Insofern entfaltet Arbeit eine große Selbstwirksamkeit.

Wie haben Sie damals einen ersten Kontakt zu Ihren MitarbeiterInnen mit Fluchthintergrund hergestellt?
Es war zunächst nicht einfach, Bewerbungen von Geflüchteten zu erhalten. Viele Zugewanderte stehen unter einem hohen finanziellen Druck, die im Heimatland verbliebene Familie finanziell zu unterstützen. Aus diesem Grund entscheiden sie sich häufig für einen schnellen Einstieg in den Arbeitsmarkt – oft in einer nicht-qualifizierten Beschäftigung. Der Verein Internationale Jugendgemeinschaftsdienste in Bonn hat uns bei der Suche geholfen, führte Vorgespräche und vermittelte InteressentInnen weiter. Darüber hinaus haben wir potenzielle KandidatInnen in den Social-Media-Kanälen wie Facebook gesucht. Inzwischen absolvieren beziehungsweise absolvierten zwei junge Männer aus Syrien sowie eine geflüchtete Frau aus Afghanistan ihren Bundesfreiwilligendienst (BFD) im KIWI-Projekt. Eine neue BFD-Besetzung startet ab Januar 2018.
In welchen Funktionen sind Ihre zugewanderten MitarbeiterInnen tätig?
Ein syrischer Englisch-Lehrer, der 2016 als erster Bundesfreiwilliger bei uns eingestiegen war, hat inzwischen eine Festanstellung als Assistent im KIWI-Projekt. In dieser Rolle agiert er als Kulturvermittler in den Lehrer-Fortbildungen und Schüler-Workshops und ist Ansprechpartner für die anderen Bundesfreiwilligen. Ein zweiter ehemaliger Bundesfreiwilliger ist nun als freiberuflicher Schulcoach im KIWI-Projekt im Einsatz. Ein dritter Kollege aus Syrien arbeitet seit August 2018 als Aushilfe im KIWI-Projekt. Gemeinsam mit unserer Bundesfreiwilligen aus Afghanistan bearbeitet er die Datenerfassung und -Auswertung unserer Fortbildungen und Schulveranstaltungen. Zudem wirken sie als interkulturelle Coaches in unseren Workshops mit, indem sie die Perspektive der Zugewanderten vertreten und den Teilnehmenden Themen wie Religion, Kultur und Flucht näherbringen. Das KIWI-Projekt hat also fünf Beschäftigungsarten im Angebot: Bundesfreiwilligendienst, Projektassistenz in Festanstellung, freiberufliche Tätigkeit sowie Aushilfe als auch das Praktikum.
Welche Hürden mussten überwunden werden, um Ihre KollegInnen in die Organisation zu integrieren?
Die deutsche Sprache war am Anfang eine Hürde, insbesondere was die Pflege von Außenkontakten angeht, wie zum Beispiel bei E-Mails und Telefonaten. Dies ist aber vom jeweiligen Sprachniveau abhängig und lässt sich mit ein wenig Starthilfe bewältigen. Bei MitarbeiterInnen mit Fluchthintergrund gibt es allerdings besondere Herausforderungen. Man wird schnell zum Ansprechpartner für viele Fragen: im Kontakt mit Behörden, Ärzten und Dienstleistern, aber auch bei alltäglichen Sorgen bis hin zu psychischen Problemen. Dessen muss man sich bewusst sein. Man muss dazu bereit sein und vor allem vorausschauend und besonders sensibel handeln. Unsere Beobachtung ist, dass unsere KollegInnen aus dem arabischen Raum häufig nicht direkt auf einen zugehen und aktiv nach Hilfe fragen. Für uns im CARE-Team ist es selbstverständlich, unseren KollegInnen auch diese Art von Unterstützung anzubieten.
Welche Erfahrungen können Sie unseren NETZWERK-Mitgliedern mit auf den Weg geben?
Als weltweit agierende Organisation können wir von unserer langjährigen Erfahrung im interkulturellen Umfeld profitieren und sind es gewohnt, schnell und flexibel auf unterschiedliche Rahmenbedingungen zu reagieren. Deswegen war es für uns naheliegend, die Kompetenzen von Menschen mit Fluchtgeschichte in einem Integrationsprojekt einzusetzen. Nun senden wir Signale an die Wirtschaft, zugewanderte Jugendliche frühzeitig und kreativ auf ein Berufsleben vorzubereiten. Dafür nutzen wir geeignete Angebote und Instrumente und würden gerne unsere Erfahrungen mit den Ausbildern an Berufsschulen und in Betrieben teilen.
Über KIWI
Das Projekt „KIWI – Kinder und Jugendliche willkommen“ von CARE steht für Kultur, Integration, Werte und Initiative. Mit seinen Fortbildungen und einem Methodenhandbuch mit rund 150 Workshops und Übungen zu Themen wie „Kultur“, „Gewalt und Konflikt“ oder „Berufliche Orientierung“ unterstützt das KIWI-Projekt Schulen und andere Einrichtungen, die Jugendliche mit Flucht-/Migrationsgeschichte aufgenommen haben. Es fördert Integrationskompetenzen und -potentiale sowohl an Schulen und Berufsschulen mit Willkommens-/Integrationsklassen als auch in Ausbildung.